Review: Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin (PS3)


  • Es gibt Dinge, die gehören einfach zusammen. Neuerdings zählen auch die Anime-Edelschmiede Studio Ghibli und der aufsteigende Independent-Entwickler Level-5 dazu. Der Grund? „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“. Es mag nicht unbedingt verwunderlich erscheinen, dass den Schöpfern von „Die letzten Glühwürmchen“, „Prinzessin Mononoke“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“ auf der einen Seite und der „Professor Layton“-, „Inazuma Eleven“- und „Little Battlers eXperience“-Reihen auf der anderen Seite auch zusammen eine Perle gelingen würde. So eine Kooperation kann die Beteiligten aber auch schnell vor neuen Herausforderungen stellen. Beim Duo Ghibli / Level-5 muss es in Anbetracht des Endergebnisses aber mehr als harmonisch zugegangen sein, denn jedes Studio konnte seine Stärken einbringen und so seinen Teil zum Meisterwerk beitragen.


    Von Motorville in die weite (andere) Welt


    Die Handlung dreht sich dabei um den jungen Oliver aus Motorville, der den plötzlichen Tod seiner Mutter, Allie, betrauert. Aus Verzweiflung wird aber Hoffnung, als eine Puppe, ein Geschenk von Allie, durch Olivers Tränen zum Leben erwacht und sich als Fee Tröpfchen vorstellt. Tröpfchen erzählt Oliver nämlich von einer anderen Welt, von Seelenverwandten und von der Möglichkeiten, seine Mutter zu retten. Auf Lager hat er auch noch den Magischen Begleiter, der aus Oliver einen Magier machen soll, dem aber noch Seiten fehlen. Trotz allem ist Oliver Feuer und Flamme für die Idee und macht sich sofort mit Tröpfchen, einem provisorischen Zauberstab und einem einzigen Zauberspruch in petto auf den Weg in die andere Welt und somit in das Abenteuer seines Lebens.



    Ghiblis Werk …


    Wer bereits Erfahrung mit Filmen aus dem Hause Ghibli hat, der wird bereits in dieser kurzen Zusammenfassung des Spieleinstiegs altbewährte Tugenden zumindest erahnen können. Diese wären, sehr kurz und bündig ausgedrückt, eine vielschichtige Handlung im familiengerechten Gewand und Charaktere mit Herz und Seele. Und genau das bietet „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ auch, nur eben deutlich länger und mit einem aktiven Spieler statt einem passiven Zuseher. Im Endeffekt wartet auf diesen ein 40-Stunden-Epos voller emotionaler Höhen und Tiefen sowie liebeswerte und erinnerungswürdige Charaktere, mit denen man sehr viel lachen, vereinzelt aber auch leiden wird. Mir entlockte das Ganze gar einige Tränen, was für die emotionale Bindung spricht, die das Spiel und die Charaktere zum Spieler entwickeln können. Keine Selbstverständlichkeit, müssen Videospiele heute doch eher „cool“ und „tough“ sein, und nicht rührend und herzerwärmend, wie es „Ni No Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ zum Glück geworden ist.


    Auch bei der Präsentation ist eindeutig die Handschrift von Studio Ghibli zu erkennen. Dazu gehören zum einen der Soundtrack und zum anderen der Animationsstil. Joe Hisaishi, seines Zeichens Stammkomponist von Ghibli-Mitbegründer Hayao Miyazaki, versteht es perfekt, das Geschehen in Melodien umzuwandeln und begleitet somit das Abenteuer von Oliver mal episch-mitreißend, mal ruhig-gefühlvoll, aber auf jeden Fall immer passend und hörenswert. Und dass das Spiel wie ein Ghibli-Film aussieht, fällt einem auf den ersten Blick auf. Erstaunlich ist dabei, dass es überraschend wenige Anime-Zwischensequenzen gibt, was aber nicht einmal negativ ins Gewicht fällt, da die Spielgrafik diesen in kaum etwas nachsteht.



    … und Level-5s Beitrag


    Dafür gebührt hauptsächlich dem Spielentwickler des Duos, nämlich Level-5, Lob. Neben der technischen Umsetzung, die wahrlich wunderhübsch und lobenswert fehlerfrei ausgefallen ist, war es die Hauptaufgabe von Level-5 dafür zu sorgen, dass „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ nicht „nur“ ein überlanger Ghibli-Film wird, sondern auch ein unterhaltsames Videospiel. Man darf bereits vorwegnehmen, dass das Unterfangen gelungen ist. Das „japanese role-playing game“, kurz JRPG, bietet nämlich alles, was der Genrefan von heute braucht, präsentiert das Ganze aber so einladend, dass auch genrefremde Spieler verzückt werden. Prinzipiell muss man, relativ genretypisch, durch die Weltkarte marschieren, verschiedene Quests absolvieren, zahlreiche Dungeons überstehen und unzählige Kämpfe bestreiten. So weit, so unspektakulär. Im Detail aber offenbart das Spiel seine Stärken.


    Die Weltkarte bietet vor allem im späteren Verlauf, dank neuer Fortbewegungsmittel, unheimlich viel für Entdecker. Die Quests und die Dungeons sind abwechslungsreich gestaltet, mit schönen Rätseln versehen und in Sachen Umfang auch nicht zu verachten, so kommt man alles in allem inklusive Haupthandlung und Nebenaktivitäten, etwa Monsterjagden oder Kasinoausflüge, locker auf rund 60 Stunden Spielzeit. Das Herzstück des Gameplays ist aber das an „Pokemon“ erinnernde Vertrauten-System. Die Tierchen, oder eher Wesen, sind nicht nur evolutionsfähig, sondern werden im Kampf gefangen und zu Vertrauten. Diese können dann gefüttert und ausgerüstet werden, dank Alchemie auch mit selbst erstellten Gegenständen, und ziehen mit den Hauptfiguren um Magier Oliver und Harfenspielerin Esther, übrigens zusammen mit dem mysteriösen Geistermädchen Pia meine Lieblingsfigur, in den Kampf.


    Kämpfe laufen dann in Echtzeit ab, man steuert die Beteiligten, Oliver und bis zu zwei Begleiter samt den dazugehörigen Vertrauten, aber nicht ganz direkt, sondern lenkt zwar die Bewegung einer Figur, gibt für Aktionen aber Befehle, die dann mit gewissen Freiheiten ausgeführt werden. Hierbei, und auch bei den Begleitern beziehungsweise ihren Vertrauten, die der Spieler nicht gerade steuert, muss sich die KI beweisen, und alles in allem macht sie eine gute Figur. Nur bei den teils sehr knackigen, aber gleichermaßen reizvollen Bossen schleichen sich vereinzelt wenig nachvollziehbare Entscheidungen ein. Das Kampfsystem beschränkt sich aber keinesfalls darauf, einen Knopf zu drücken und sich zurückzulehnen, sondern fordert dem Spieler einiges ab. Man muss oftmals sehr schnell auf das Geschehen reagieren und die Lebens- und Manaanzeigen stets im Auge behalten, und auch unterschiedliche Vorgehensweisen sowie eine variantenreichen Vertrautensammlung sollte man auf Lager haben, um mit jeder Bedrohung fertig werden zu können. Wer das Ganze aufgrund der vermeintlich kindlichen Optik also als Zuckerschlecken abtut, der wird sein blaues Wunder erleben, Erfahrungspunkte verdient man sich nämlich nur durch harte Arbeit.



    Esther meint: Sugoi (fantastisch)


    „Ni no Kuni: Der Fluch der Weißen Königin“ ist nicht nur ein episches Abenteuer um die Rettung der Welt, sondern auch die herzerwärmende Geschichte des jungen Oliver, der einen schweren Schicksalsschlag zu verarbeiten hat und in einer anderen Welt Hoffnung und Trost findet und den Glauben an die Zukunft wiederentdeckt. Dabei prallen die Tugenden der beteiligten Studios, Ghibli und Level-5, aufeinander und sorgen dafür, dass dem Spieler ein rundum gelungenes Gesamtpaket präsentiert wird. Für mich persönlich das beste und schönste JRPG der aktuellen Konsolengeneration, und dementsprechend wenig hätte ich auch gegen eine weitere „Ghibli-5“-Produktion. Bis dahin werde ich aber noch das eine oder andere Mal nach Motorville und in die andere Welt zurückkehren, und mich brav an den letzten Ratschlag des Spiels halten: „Genieße alles, was diese Welt zu bieten hat“.


    Auch veröffentlicht auf NeoRetro.at

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!